Koni Steffen

 Konrad Steffen auf der Schatzalp, Juli 2020. Photo: Andreas Rigling
Konrad Steffen auf der Schatzalp, Juli 2020. Photo: Andreas Rigling  

Konrad Steffen (1952 - 2020)

Am 8. August ist der WSL-Direktor und Professor für Klima und Kryosphäre auf Grönland bei einem Arbeitsunfall tödlich verunglückt. Seine ETH-Kolleginnen und -Kollegen erinnern an eine Persönlichkeit, die als Mensch und Wissenschaftler eine enorme Lücke hinterlässt.

Hochgewachsen, gertenschlank, freundschaftlich, mit dem Touch eines Lausbuben, ein Naturmensch und ein Macher. So haben viele von uns Konrad Steffen in Erinnerung. Wer mit ihm sprach, merkte rasch, dass der Mann ein gutes Gespür für das Wesentliche hatte. Er hatte eine Vision. Er konnte die Richtung bestimmen Dabei hörte er aber stets aufmerksam zu und setzte zielstrebig und mit Beharrlichkeit um, was ihm wichtig erschien.

An der ETH Zürich war Konrad Steffen, kurz «Koni», Professor für Klima und Kryosphäre am Departement für Umweltsystemwissenschaften, angesiedelt am Institut für Atmosphäre und Klima. Die ETH-Professur hatte er inne neben seiner Haupttätigkeit als Direktor der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL und einer Professur an der Faculté de l’environnement naturel, architectural et construit der EPF Lausanne. In den Departements- und Institutskonferenzen, an denen Koni trotz seiner vielfältigen Aufgaben oft teilnahm, war seine Stimme unverkennbar: deutsch-schweizerisch in der Klangfarbe, bisweilen mit einem Schalk, doch stets auf den Punkt. Koni überzeugte.

Bevor Koni 2012 in die Schweiz zurückkehrte, war er für etwa 25 Jahre in Boulder, USA, zuletzt als Direktor des Cooperative Institute for Research in Environmental Sciences (CIRES) der University of Colorado. Für Besuchende - und besonders von der ETH - hatte er wie ganz selbstverständlich stets ein offenes Haus, selbst wenn sie mit Kind und Kegel anreisten. Da erstaunt es nicht, dass Koni auch Schweizer Honorarkonsul war. An seinem Haus hing die Schweizer Flagge und er betreute 2000 Personen in Colorado in diplomatischen Angelegenheiten. Wie fand er Zeit und Kraft für solche Tätigkeiten?

Obwohl er erst 2012 wieder in die Schweiz zurückkam, hatte Koni grossen Einfluss auf die wissenschaftliche und akademische Ausrichtung seines Arbeitsfeldes an der ETH und in der Schweiz generell. Das zeigt sich in der Neuschaffung von sechs Professuren mit Schwerpunkten in

Ökologie oder Kryosphärenforschung, wobei er die WSL immer im Auge behielt: Drei dieser Professuren sind gemeinsam getragen von der WSL und der ETH Zürich oder der WSL und der EPF Lausanne, was zur stärkeren Einbindung der WSL in den akademischen Bereich beiträgt; eine ETH-Professur «Kryosphäre und Klima», bei der die WSL Anschubhilfe leistet, könnte Konis Arbeiten in direkter Linie fortsetzen; und zwei weitere Professuren in Planung werden im Kanton Graubünden angesiedelt sein und sollen sich den Alpengletschern und dem Einfluss des Klimawandels auf die Bergregionen widmen.

Eine immense Hinterlassenschaft. Das Ergebnis eines anderen langjährigen Traums von Koni ist das «Swiss Polar Institute», dessen wissenschaftlicher Direktor er bis zu seinem Tod war. Koni war überzeugt, dass die Bündelung der Aktivitäten und die Anwendung schweizerischen Wissens über alpine Glaziologie auf die arktische und antarktische Kryosphäre einen grossen Mehrwert bringt.

Koni liebte die Schweizer Alpen mit den hohen Bergen und engen Tälern, doch genauso sein «Swiss Camp», die Schweizer Forschungsstation auf dem flachen grönländischen Eisschild. «Was ich an der Arktis liebe, ist die unbeschreibliche Weite… aber hier ist es auch, wo wir die Veränderungen am deutlichsten sehen», sagte er in einem seiner zahllosen Interviews mit Bezug auf die globale Erderwärmung, die Grönland und dem arktischen Meereis immer schneller zusetzen. Das «Swiss Camp» war im Rahmen eines ETH-Projekts errichtet worden und wurde nach Konis Betreiben später durch die NASA weitergefördert. Das «Swiss Camp» war der Grundstein für eine 30-jährige Messreihe, die zu einem wichtigen Element der Klimaforschung wurde. Eine von Konis spektakulärsten wissenschaftlichen Untersuchungen galt der Erforschung der eindrücklichen und beängstigenden Gletschermühlen - der moulins - die das Schmelzwasser rascher aus Grönlands Innerem abfliessen lassen, als man sich gemeinhin vorstellt. Grönlands Schönheit und Wildheit haben ihn in ihren Bann gezogen. Die Sorge über Grönlands Zukunft hat ihn angetrieben.

Wir wissen nicht, was auf Grönland genau passierte. Er hatte sich von seinen Kollegen etwas entfernt. Vermutet wird, dass er in eine durch Schnee verdeckte, wassergefüllte Gletscherspalte stürzte. Eigentlich hatte er eine enorme Erfahrung im Umgang mit Gefahren, da er insgesamt eine Zeit von mehreren Jahren auf Grönland gearbeitet hatte. Und er kannte die Umgebung wie seine Westentasche. Wie konnte gerade ihm das passieren? Sicher ist nur, dass es die heimtückischen Spalten dort noch nicht gab, als Konis «Swiss Camp» errichtet wurde. Das schmelzende Eis führt aber auch am «Swiss Camp» zunehmend zur Bildung von Gletscherspalten und die Veränderungen beschleunigen sich als Konsequenz der Erwärmung. Koni war sich der Gefahren bewusst, doch vielleicht hat selbst er der Macht dieser Veränderungen in einem Moment der Unachtsamkeit zu wenig Bedeutung zugemessen

Koni, der Naturmensch, ist auf seinem geliebten Grönland gestorben. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie. Leider ist er viel zu früh gegangen. Sein wissenschaftliches Vermächtnis wird bleiben. Wir werden ihn nicht vergessen.

Zu diesem Nachruf beigetragen haben auch die ETH-Professorinnen und -Professoren Martin Funk, Nina Buchmann, Atsumu Ohmura, Martin Wild, Daniela Domeisen, Reto Knutti, Christoph Schär, Sebastian Schemm, Sonia Seneviratne, Heini Wernli und Ulrike Lohmann. Ausserdem Karl Schroff, ebenfalls ETH Zürich und Prof. Mathias Rotach, Uni Innsbruck.
 

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