ERC Advanced Grants im D-USYS: Heini Wernli und INTEXSEAS

Obwohl gesellschaftlich relevant, sind extreme Jahreszeiten meteorologisch bisher kaum untersucht. Heini Wernli ist Professor für «Atmospheric Dynamics» am Institut für Atmosphäre und Klima an der ETH Zürich. Sein Projekt INTEXseas zielt darauf ab, diese Lücke zu schliessen. Gefördert wird es mit einem ERC Advanced Grant von der Europäischen Forschungskommission.

von Sophie Graf
Vergrösserte Ansicht: Der nasseste Winter seit 1979 (die Farbe gibt das Jahr an), identifiziert von ERA-Interim Reanalysen. ©Heini Wernli
Der nasseste Winter seit 1979 (die Farbe gibt das Jahr an), identifiziert von ERA-Interim Reanalysen. ©Heini Wernli

Extremereignisse wie der Sturm Lothar 1999 oder das Hochwasser in der Schweiz 2005 bleiben in Erinnerung. Solche aussergewöhnlichen Ereignisse mit einer Dauer von wenigen Tagen können typischerweise auf bestimmte Wettersysteme zurückgeführt werden. Was aber, wenn ganze Jahreszeiten extreme Werte zeigen? Auf der saisonalen Skala gibt es keinen einfachen Zusammenhang mit einem spezifischen Wetterereignis – da braucht es meist eine ganze Abfolge ungewöhnlicher Ereignisse. Obwohl gesellschaftlich relevant, sind extreme Jahreszeiten meteorologisch bisher kaum untersucht. Heini Wernli ist Professor für «Atmospheric Dynamics» am Institut für Atmosphäre und Klima an der ETH Zürich. Sein Projekt INTEXseas zielt darauf ab, diese Lücke zu schliessen und eine detaillierte Analyse verschiedener Arten extremer Jahreszeiten in einem sich verändernden Klima zu liefern

Bisher unerforschte Zeitskala

In seinem Projekt INTEXseas interessiert sich Wernli also für den wärmsten oder nassesten Sommer, Frühling, Herbst oder Winter an einem bestimmten Ort. Wo auf der Welt macht welche Sequenz von Wetterereignissen eine Jahreszeit ganz aussergewöhnlich, lautet eine seiner Forschungsfragen. Und wie unterscheiden sich die Narrative z.B. zum nassesten Winter in verschiedenen Orten der Welt? Während der nasseste Winter in Grossbritannien vielleicht einfach nur eine Aneinanderreihung von vielen Tiefdruckgebieten ist, reicht in Algerien ein einziger Mittelmeersturm, um den Winter zum nassesten überhaupt zu machen. Der studierte Physiker untersucht diese Fragen zunächst mit globalen Daten der letzten fünfzig Jahre, um die entscheidenden Wettersystemprozesse, die zu extremen Jahreszeiten führen, im aktuellen Klima zu identifizieren.

Klimasimulationen über 1000 Jahre

In einem zweiten Teil des Projekts INTEXseas arbeitet ein Teil von Wernlis Team mit der Gruppe von Reto Knutti, Professor für Klimaphysik am Institut für Atmosphäre und Klima zusammen. Mit sehr grossen Ensemblesimulationen mit einem globalen Klimamodell erweitern die Forschenden die Untersuchung extremer Jahreszeiten auch auf das zukünftige Klima. Diese Methodik dient dazu, die Eigenschaften und Dynamiken der beispielsweise heissesten und kältesten, nassesten und trockensten Jahreszeiten besser zu verstehen und wie sich diese Extreme durch den Klimawandel verändern. Dieser zentrale Teil des Projekts wird Aufschluss darüber geben, wo auf der Welt z.B. nasseste Jahreszeiten in Zukunft viel nasser werden – und warum: ist es weil die normalen Niederschlagssysteme intensiver werden oder weil neue Niederschlagsphänomene auftauchen?

Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft

Wenn meteorologisch etwas passiert, was nicht im Erfahrungsschatz ist der Bevölkerung ist, hat es potentiell grosse sozioökonomische Konsequenzen. Im Projekt wird Wernli deshalb auch mit David Bresch, Professor für Wetter und Klimarisiken am Institut für Umweltentscheidungen, zusammenarbeiten. In einem dritten Teil von INTEXseas planen die beiden, einige sozioökonomisch besonders relevante saisonale Wetter-Konstellationen zu untersuchen. Könnte es beispielsweise einen ganzen Winter geben, in dem es in einem traditionellen Skigebiet nicht möglich ist, Ski zu fahren? Ein Winter, in dem kein Schnee fällt und es gleichzeitig zu warm ist, um künstlichen Schnee zu produzieren?

Forschung aus Neugier

Vorerst starten Wernli und drei Postdocs mit der Arbeit an INTEXseas. Nach einem Jahr sollen zwei Doktorierende dazu kommen. Dank des ERC Advanced Grants ist es möglich, mit einem Team von erfahrenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu arbeiten. «Dies ist einmalig», betont Wernli. «Als Team von Spezialisten mit komplementären Kompetenzen können wir einfach loslegen». Die fünf-Jahres-Perspektive der Europäischen Forschungskommission ist ein weiterer Vorteil. Sie bedeutet aber auch Verantwortung und ein gewaltiges Vorschussvertrauen. Heini Wernli freut sich auf diese Herausforderung und betont «die Neugier ist für meine Forschung ein wesentlicher Antrieb». Und wird sich mit seinem Team dafür einsetzen, dass seine Jahreszeiten-Forschung einiges an neuen Erkenntnissen bringen wird.

Weitere Informationen

• Persönliches Profil von Heini Wernli
• Grosserfolg auf europäischer Ebene: Medienmitteilung der ETH Zürich vom 10.4. 2018

Über den ERC Advanced Grant

Der ERC ist ein Flaggschiff des Forschungsrahmenprogramms der Europäischen Union für die Jahre 2014 bis 2020. Der Europäische Forschungsrat ist Teil des europäischen Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 (2014-2020). Die Schweiz ist seit dem 1. Januar 2017 wieder vollständig an Horizon 2020 assoziiert. Durch Advanced Grants geförderte Projekte werden über maximal fünf Jahre mit 2-3 Millionen Schweizer Franken gefördert.

Über ein weiteres Projekt aus dem D-USYS, welches einen ERC Advanced Grant erhielt, wurde in einem Artikel am 3. Dezember berichtet: Das Pojekt IRMIDYN von Ruben Kretzschmar.

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