Rekord-Rückgang der globalen CO2-Emissionen "dank" Corona
- D-USYS
- Institut für Biogeochemie und Schadstoffdynamik
Die neue Bilanz das Global Carbon Projects zeigt einen noch nie erreichten Rückgang der fossilen CO2-Emissionen. Die atmosphärische CO2-Konzentration steigt weiter an.
Das Global Carbon Project diagnostiziert den Emissionsrückgang in Zeiten von Corona – fossile CO2-Emissionen sanken 2020 um 7% im globalen Schnitt (EU27: -11%, USA: -12%)
- Treiber dieser Entwicklung ist vor allem der Transportsektor
- Keine deutliche Verbesserung zeigt sich hingegen in den Emissionen aus Landnutzung
- CO2-Emissionen insgesamt - aus fossilem CO2 und Landnutzung - werden 2020 bei etwa 39 GtCO2 liegen.
Die Corona-Pandemie hat zu einem deutlichen Rückgang der globalen Kohlendioxid-Emissionen geführt. Dies zeigt die jährliche Bilanz des Global Carbon Projects (GCP), eines weltweiten Zusammenschlusses von Klimaforschern, an dem die ETH Zürich mit der Gruppe von Nicolas Gruber massgeblich beteiligt ist. Die Wissenschaftler analysieren, welche Mengen an Treibhausgasen jährlich freigesetzt beziehungsweise der Atmosphäre durch Aufnahme in Landvegetation und Ozeane entzogen werden.
Der neueste Bericht des GCP zeigt, dass es fünf Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen gelungen ist, die Zunahme der globalen CO2-Emissionen zu verlangsamen: In der Dekade von 2010-2019 gingen die fossilen CO2-Emissionen bereits in 24 Ländern mit wachsenden Volkswirtschaften deutlich zurück, was auch auf ein Greifen von Klimapolitik zurückzuführen sein könnte. Im Jahr 2020 sanken die weltweiten fossilen Emissionen auch aufgrund der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie um den Rekordwert von 7 Prozent oder umgerechnet etwa 2,4 Milliarden Tonnen CO2 auf 34 Milliarden Tonnen CO2. Dieser Rückgang ist erheblich grösser als frühere signifikante Rückgänge von 0,5 (1981 und 2009), 0,7 (1992) und 0,9 (1945) Milliarden Tonnen CO2. Um die Pariser Klimaziele nicht zu überschreiten, müssen zwischen 2020 und 2030 im Durchschnitt jährlich 1-2 Milliarden Tonnen CO2 eingespart werden.
Trendwende? Forscher befürchten Rebound-Effekt
Besonders deutlich war der Rückgang der Emissionen in den USA (-12%) und in den EU-Mitgliedsstaaten (-11%). Gemäss den Forschenden trafen in diesen Regionen die verringerte Emissionen aus der Kohlenutzung und die Auswirkungen der pandemiebedingten Beschränkungen zusammen. Die starke Reduktion der Emissionen 2020 verstärkt einen Trend, der schon 2019 eingesetzt hat, wo die Emissionen im Vergleich zu den Vorjahren schon langsamer gewachsen sind. Ist das schon die Trendumkehr? Gruber meint: «Ich wäre hier sehr vorsichtig. Ob dies tatsächlich schon die erhoffte Trendumkehr ist, hängt stark davon ab, wie sich die Massnahmen in den Covid-19-Stimuluspaketen weltweit ausgestalten. Wir beobachten bereits, dass die Emissionen sich langsam wieder dem Niveau von 2019 annähern.»
Transportsektor bringt die grössten Einsparungen
Für den grössten Teil des Rückgangs der Emissionen im Jahr 2020 war der Transportsektor verantwortlich. Auch im Dezember 2020 lagen die Emissionen aus dem Strassen- und Luftverkehr aufgrund der anhaltenden Beschränkungen immer noch um etwa 10% bzw. 40% unter den Werten von 2019. Ob der 2020 auch Corona-bedingte Rückgang der Emissionen sich in der Zukunft fortsetzen wird, kann derzeit noch nicht abgeschätzt werden, warnen die Forscher. Nach dem Rückgang der Emissionen aufgrund der globalen Finanzkrise 2008, stiegen die Emissionen im Jahr 2010 sprungartig um 5% an als sich die Wirtschaft erholte. Es besteht die Befürchtung, dass ein sprunghafter Anstieg der CO2-Emissionen auch 2021 passiert.
Emissionen aus der Landnutzung unverändert
Die Forscher untersuchten auch, welchen Einfluss die Landnutzung durch den Menschen auf die globale Kohlenstoffbilanz – und damit auch das Klima – hat. Im Vergleich zu den ungewöhnlich hohen Emissionen durch Landnutzungsänderungen im Jahr 2019, die unter anderem durch ausserordentlich trockene Bedingungen in Indonesien und die höchsten Entwaldungsraten im Amazonasgebiet seit 2008 verursacht waren, lagen die Werte 2020 niedriger und entsprachen dem Durchschnitt des letzten Jahrzehnts.
CO2 in der Atmosphäre nimmt weiter zu
CO2-Emissionen insgesamt - aus fossilem CO2 und aus Landnutzung - liegen 2020 bei etwa 39 GtCO2, trotz des Rückgangs also immer noch auf einem Niveau wie etwa 2012. Dies liess den CO2-Gehalt in der Atmosphäre weiter ansteigen. Im Jahresmittel wird er voraussichtlich einen neuen Rekordwert von 412 ppm (parts per million) erreichen. Das entspricht einer Zunahme von 48 Prozent gegenüber dem vorindustriellen Wert. Stabilisieren wird sich der atmosphärische CO2-Gehalt und damit das Weltklima erst, wenn die globalen CO2-Emissionen sehr nahe bei Null liegen, so die Forscher.
Natürliche Senken sind vorerst intakt
Nicolas Gruber und sein Mitarbeiter Luke Gregor untersuchten insbesondere die Rolle der Ozeane als Senke für die anthropogenen CO2-Emissionen. Dabei verwendeten sie einerseits numerische Modelle des Ozeans und andererseits Beobachtungsdaten, die sie mit Methoden des maschinellen Lernens interpretiert haben. Für das Jahr 2020 liegen die Messdaten noch nicht vor, aber die Daten für 2019 zeigen, dass die Weltmeere in diesem Jahr fast 10 GtCO2 aus der Atmosphäre entfernten, was 23% der gesamten Emissionen ausmacht. Für das Jahr 2020 meint Gruber: «Wir erwarten in etwa eine gleich bleibende Ozeanaufnahme, da es weder ein El Niño- noch ein La Niña-Jahr war.»
Auch die Ökosysteme auf dem Land nahmen im Jahr 2019 viel anthropogenes CO2 auf. Hier betrug die Senkenleistung etwa 11 GtCO2, was in etwa 27% der Emissionen entspricht. Auch für 2020 erwartet man eine ähnliche Senkenleistung.
Wenn man die Entwicklung der Senkenleistung der letzten Dekaden betrachtet, zeigt sich, dass die Land- und Ozeansenken den Emissionen entsprechend kontinuierlich zugenommen haben. Für das Jahr 2020 haben Ozean und das Land zusammen in etwa 54% der gesamten anthropogenen CO2-Emissionen aufgenommen. Gruber betont aber: «Wir können nicht davon ausgehen, dass diese Senkenleistungen immer weiter ansteigen werden. Das bedeutet, dass wir unsere Anstrengungen für die Reduktion der CO2-Emissionen verstärken müssen. Um das Paris Ziel zu erreichen, müssen wir einen guten Teil der Reduktion, die COVID dieses Jahr gebracht hat, jedes Jahr für die nächsten 30 Jahre wiederholen.»
Weitere Informationen
Das Team von 86 Klimaforschern aus aller Welt veröffentlicht die CO2-Bilanz 2020 in der Fachzeitschrift Earth System Science Data. Das Global Carbon Budget 2020 ist die 15. Ausgabe der jährlichen Gutachten. Aus der Schweiz sind neben Nicolas Gruber und Luke Gregor von der ETH Zürich auch Sebastian Lienert vom Oeschger Zentrum der Universität Bern beteiligt.
- Friedlingstein P et al. (2020): Global Carbon Budget 2020. Earth System Scence. Data 12(4): 3269-3340, 11.Dezember 2020, doi: externe Seite 10.5194/essd-12-3269-2020
- Daten und Abbildungen: http://www.globalcarbonproject.org/carbonbudget
- Datenatlas: http://www.globalcarbonatlas.org
- Tägliche Emissionen from Carbon Monitor https://carbonmonitor.org/