Alte Bäume geben Hinweis auf globale Umweltkrise vor 42'000 Jahren

Der vorübergehende Zusammenbruch des Erdmagnetfeldes vor 42'000 Jahren beeinflusste in Kombination mit einem Tiefpunkt der Sonnenaktivität, einem «Grand Solar Minimum», das globale Klima. Dies führte zu globalen Umweltveränderungen und Massenaussterben, fand eine neue internationale Studie mit Beteiligung der ETH Zürich. Die Ergebnisse wurden am 18. Februar 2021 in der Zeitschrift «Science» veröffentlicht.

von Thomas Peter, Marina Friedel, Julien Anet und Eugene Rozonov
Vergrösserte Ansicht: Der über 40’000 Jahre alte Kauri-Stamm von Ngāwhā Springs während der Freilegung. Foto: Nelson Parker/ Nelson's Kaihu Kauri
Der über 40’000 Jahre alte Kauri-Stamm von Ngāwhā Springs während der Freilegung. Foto: Nelson Parker/ Nelson's Kaihu Kauri

Grund für dieses neue Verständnis sind uralte neuseeländische Kauri-Fichten, die seit über 40’000 Jahren in Sedimenten konserviert waren.  Die archäologischen Arbeiten und die Projektleitung hatten Forscher des South Australian Museum und der University of New South Wales inne.  Forschende der Gruppe für Atmosphärenchemie an der ETH Zürich, der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und des Physikalisch-Meteorologischen Observatoriums Davos analysierten die atmosphärischen und klimatischen Auswirkungen mittels globaler Chemie-Klima-Modellierung (1.2).

Vergrösserte Ansicht: Veränderung des atmosphärischen Radiokohlenstoffs während der geomagnetischen Laschamps-Exkursion und damit verbundene atmosphärische Einflüsse. Kauri 14C-Werte (farbige Symbole) während der Magnetfeldumkehr im Vergleich zu früheren 230Th-datierten Radiokohlenstoffwerten der Hulu-Tropfsteinhöhlen (offene Symbole).  Die relative paläomagnetischen Intensität wurde aus Sedimenten des Schwarzen Meeres gewonnen (orangefarbene Linie).  Der Peak in 14C fällt mit einem markanten «Grand Solar Minimum» zusammen. Grafik: www.nature.com
Veränderung des atmosphärischen Radiokohlenstoffs während der geomagnetischen Laschamps-Exkursion und damit verbundene atmosphärische Einflüsse. Grafik: www.nature.com 

Umweltkrise vor 42'000 Jahren

Mit Hilfe der alten Bäume konnten die Forscher die durch den Zusammenbruch des Erdmagnetfeldes verursachte Spitze im atmosphärischen Radiokohlenstoffgehalt messen und datieren.  Während man bereits wusste, dass sich die Magnetpole vor etwa 41-42'000 Jahren vorübergehend umkehrten – die so genannte "Laschamps-Exkursion" – war unklar, wie sich dies genau auf das Leben auf der Erde auswirkte.  Nun verglichen die Forscher die neue, genauere Zeitskala (Abbildung 1A) mit anderen Befunden weltweit und nutzten dies für globale Modellierung.  Sie fanden, dass die Laschamps-Exkursion das Wachstum der Vergletscherung Nordamerikas sowie Verschiebungen der globalen Windsysteme gut erklären kann.  Zeitgleich kam es auf dem australischen Festland und auf Tasmanien zu einem Aussterben von Teilen der Megafauna.

Der kosmischen Strahlung ausgesetzt

Vor 42'000 Jahren, im Vorfeld des letzten glazialen Maximums, verursachte die Magnetfeldumkehr einen vollständigen Verlust des Schutzschildes der Erde gegen die galaktische kosmische Strahlung oder GCR – hochenergetische Teilchen aus fernen Super-Novae.  Dies fiel zusammen mit Perioden einer schwachen Sonne, ähnlich dem Maunder-Minimum im späten 17. Jahrhundert.  Da der Sonnenwind, der die Erde ebenfalls gegen GCRs abschirmt, während dieser Grand Solar Minima zum Erliegen kommt, führte dies zu dem Verlust eines weiteren Schutzmechanismus der Erde gegen GCRs, neben der frostigen Reduktion der Sonneneinstrahlung.

Vergrösserte Ansicht: Der Einfluss des fehlenden geomagnetischen Feldes und des zeitgleichen Grand Solar Minimums auf die globale Atmosphärenchemie und das Klima.  Links: Simulierte Ozonverluste während des borealen Winters und australischen Sommers relativ zu einem eiszeitlichen Referenzlauf.  Rechts:  Simulierte Änderung der Oberflächentemperatur. Grafik: www.nature.com
Der Einfluss des fehlenden geomagnetischen Feldes und des zeitgleichen Grand Solar Minimums auf die globale Atmosphärenchemie und das Klima. Grafik: www.nature.com

Geomagnetismus bisher unterschätzt

Bei geschwächtem Magnetfeld und Sonnenwind kann die ionisierende Strahlung die Atmosphäre bis zur Erdoberfläche durchdringen. Neben den direkten Auswirkungen auf die Biota zerlegen GCRs die Luftmoleküle, was zu einer erhöhten atmosphärischen NOx-Produktion und Ozonzerstörung führt. Die reduzierte Ozonschicht wiederum verändert die stratosphärische und troposphärische Zirkulation, was lokale Dürren und Gletschermaxima in Australasien und den Anden sowie eine beschleunigte Ausdehnung des kanadischen Eisschildes nach sich zog (Abbildung 1B), begleitet von massiven Veränderungen der Lebensbedingungen auf unserem Planeten. Es scheint wahrscheinlich, dass der Geomagnetismus ein wichtiger evolutionärer Faktor ist, der bisher nicht erkannt wurde.

Literaturhinweise

(1) A global environmental crisis 42,000 years ago, Cooper, A., C. S. M. Turney, J. Palmer, A. Hogg, M. McGlone, J. Wilmshurst, A. M. Lorrey, T. J. Heaton, J. M. Russell, K. McCracken, J. G. Anet, E. Rozanov, M. Friedel, I. Suter, T. Peter, R. Muscheler, F. Adolphi, A. Dosseto, J. T. Faith, P. Fenwick, C. J. Fogwill, K. Hughen, M. Lipson, J. Liu, N. Nowaczyk, E. Rainsley, C. B. Ramsey, P. Sebastianelli, Y. Souilmi, J. Stevenson, Z. Thomas, R. Tobler, R. Zech, Science, 371, Iss. 6531, https://science.sciencemag.org/cgi/doi/10.1126/science.abb8677 (2021).

(2) Suter, I., R. Zech, J. Anet, T. Peter, Impact of geomagnetic excursions on atmospheric chemistry and dynamics, Clim. Past, 10, 1183–1194 (2014).
 

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