Integrated Carbon Observation System Research Infrastructure (ICOS): Erster umfassender Artikel veröffentlicht

  • D-USYS
  • Institut für Agrarwissenschaften

Die Hälfte des Kohlenstoffausstosses, der durch fossile Brennstoffe in die Atmosphäre gelangt, wird von den Ökosystemen im Meer und an Land wieder aufgefangen. Viele Fragen sind aber noch unbeantwortet. Ein kürzlich in The Bulletin of American Meteorological Society (BAMS) publizierter Artikel beschreibt zum ersten Mal die Struktur und Arbeitsweise des europäischen Infrastruktur-Netzwerks ICOS RI (Integrated Carbon Observation System Research Infrastructure).

von Susanne Burri, D-USYS/ Katri Ahlgren, ICOS

Was ist die genaue Grössenordnung, Eigenschaft und Stabilität dieser sogenannten Kohlenstoffsenken? Wie wird sich der Klimawandel auf sie auswirken? Wie funktionieren diese Senken genau und bleiben sie in Zukunft erhalten? Antworten auf diese Fragen sind für die Gesellschaft unerlässlich, um ein Konzept für den Weg zur Klimaneutralität zu erstellen.  

«Wir haben die Methoden, um diese Fragen zu beantworten. Einige von uns messen Treibhausgaskonzentrationen und -flüsse seit Jahrzehnten. Nur mit langjährigen, standardisierten Zeitreihen können wir die Reaktion der Biosphäre auf langsame Veränderungen im Klima messen und verstehen», sagt Nina Buchmann, Professorin für Graslandwissenschaften an der ETH Zürich und Co-autorin des Artikels. ICOS Daten liefern die Grundlage, um naturbasierte Lösungen zu entwickeln. «Dieses ambitionierte Ziel macht ICOS so aussergewöhnlich für die Wissenschaft, hochrelevant für die Entscheidungsfindung und nützlich für die Gesellschaft.» Nina Buchmann ist Leiterin von externe SeiteICOS Schweiz und ihr Team betreut eine der beiden schweizerischen ICOS Stationen.

Hochwertige Treibhausgas-Daten aus ganz Europa

ICOS wurde entwickelt, um ein europäisches Beobachtungs- und Informationssystem zu betreiben, das Wissenschaft und Gesellschaft dabei unterstützt, die Folgen des Klimawandels einzudämmen. Aktuell sammelt es standardisierte, frei zugängliche Daten aus mehr als 140 Messstationen in 13 europäischen Ländern. Die Schweiz beteiligt sich mit zwei Stationen: Jungfraujoch und Davos. Beide Stationen sind einzigartig in Bezug auf Lage, Stationsgeschichte und Einbettung in nationale und internationale Forschungsprogramme.

Die ICOS-Messstationen beobachten Treibhausgase in der Atmosphäre und Kohlenstoff- und Treibhausgasflüsse zwischen der Atmosphäre, den Landflächen und den Ozeanen. Das Netzwerk deckt den europäischen Kontinent von Skandinavien bis zur Spanischen Halbinsel und von den Britischen Inseln bis Ungarn und der Tschechischen Republik ab. Die benachbarten Meere werden mit Schiffslinien und Forschungsschiffen, die in dem Bereich unterwegs sind, erfasst. Die Schweiz mit ihrer aussergewöhnlichen Lage in den Alpen ist ein bedeutender Knotenpunkt innerhalb des ICOS Netzwerks.

Der Artikel erörtert ausserdem die strengen Verfahren zur Qualitätssicherung, welche von der ICOS-Gemeinschaft entwickelt wurden, durch die eine hohe Qualität der Daten gewährleistet ist. ICOS Daten sind für die Öffentlichkeit im ICOS Carbon Portal frei zugänglich.

Schematische Darstellung des Kohlenstoffkreislaufs und der damit verbundenen ICOS Datenerfassung sowie Zugang zu den Daten via ICOS Carbon Portal. Grün markiert den Austausch von Kohlenstoff, Treibhausgasen und Energie zwischen der Atmosphäre und den Ökosystemen (vertikale Pfeile), rot die Gaskonzentrationen sowie die Chemie- und Transportprozesse in der Atmosphäre (horizontale Pfeile) und blau den Gasaustausch zwischen den Ozeanen und der Atmosphäre (vertikale Pfeile). Diese Prozesse werden an den jeweiligen ICOS Atmosphären-, Ökosystem- oder Ozean-Stationen gemessen. (Grafik: ICOS ERIC)
Schematische Darstellung des Kohlenstoffkreislaufs und der damit verbundenen ICOS Datenerfassung sowie Zugang zu den Daten via ICOS Carbon Portal. Die Farben verbinden die jeweiligen Teile des biogeochemischen Kohlenstoffkreislaufs mit den dazugehörenden Stationen und thematischen Zentren. Grün markiert den Austausch von Kohlenstoff, Treibhausgasen und Energie zwischen der Atmosphäre und den Ökosystemen (vertikale Pfeile), rot die Gaskonzentrationen sowie die Chemie- und Transportprozesse in der Atmosphäre (horizontale Pfeile) und blau den Gasaustausch zwischen den Ozeanen und der Atmosphäre (vertikale Pfeile). Diese Prozesse werden an den jeweiligen ICOS Atmosphären-, Ökosystem- oder Ozean-Stationen gemessen. (Grafik: ICOS ERIC)

Schneller zu verlässlicheren Ergebnissen

Die festgelegten Prozesse, durch die standardisierte ICOS Daten schnell verfügbar sind, und die Integration verschiedener Wissenschaftsgebiete ermöglichen der wissenschaftlichen Gemeinschaft, bestehende Wissenslücken zu erkennen sowie Forschungsthemen und -ergebnisse deutlich schneller zu erarbeiten, als sie es bisher gewohnt war. Der Artikel erwähnt insbesondere die Forschungsinitiative «Trockenheit 2018», an der mehr als 200 Wissenschaftler teilnahmen, um die Auswirkungen des besonders trockenen Frühlings und Sommers 2018 zu untersuchen. Diese Initiative gab innerhalb von zwei Jahren nach der ersten Forschungsidee insgesamt 17 von Fachleuten geprüfte Artikel in einer anerkannten Fachzeitschrift heraus (externe SeiteSpecial issue in Philosophical Transactions of the Royal Society B). Einer dieser Artikel wurde unter der Leitung von Mana Gharun, Postdoktorandin in Nina Buchmanns Gruppe, geschrieben. Das Team konnte zeigen, dass die CO2-Senkenkapazität von zwei Wäldern in der Schweiz während der Trockenheit 2018 deutlich reduziert war. Die Effekte waren stärker für den tiefer gelegenen Wald als für den höher gelegenen. Innerhalb der Forschungsinitiative «Trockenheit 2018» wurden die 17 Artikel weniger als zwei Jahre nach den Messungen publiziert.

Dies veranschaulicht den hohen wissenschaftlichen Fortschritt und den Nutzen einer gut vernetzten Gemeinschaft von WissenschaftlernInnen sowie von hochwertigen Daten, welche wenige Monate nach der ursprünglichen Beobachtung frei verfügbar sind.

Grosse Wissenschaftsfragen und ein kurzer Blick in die Zukunft


Der Artikel stellt eine Reihe sehr wichtiger Wissenschaftsfragen. Wegen der zunehmenden Dringlichkeit des Klimawandels beziehen sich viele dieser Fragen auf politische Rahmen, wie zum Beispiel das Pariser Klimaschutzabkommen oder die „Ziele für nachhaltige Entwicklung“ der UN. ICOS stellt zum Beispiel wichtige grundlegende Daten für ein geplantes europäisches Beobachtungs- und Verifizierungssystem für Treibhausgasemissionen zur Verfügung. Dazu wird die Radiokarbonmethode eingesetzt, um Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe zu quantifizieren. Dies ist möglich, weil dem Kohlenstoffdioxid aus fossilen Energieträgern das radioaktive Kohlenstoffisotop 14C fehlt.

Weitere Forschung ist nötig zu den lateralen Kohlenstoffflüssen von den Landmassen in die Ozeane, die zurzeit nur sehr ungenau quantifiziert werden können. Auch wenn ICOS die ersten Schritte unternommen hat, um Kapazitäten aufzubauen, mit denen auch diese Flüsse gemessen werden können, bleibt doch noch viel zu tun.

Des Weiteren stellen die Autoren fest, dass in Ballungsräumen genauere Beobachtungen notwendig sind, weil diese stark bewohnten Gebiete Hotspots für den Ausstoss fossiler Brennstoffe sind und ständig wachsen. Hier wird eine erfolgreiche Emissionsreduzierung als erstes sichtbar sein. ICOS begegnet dieser Herausforderung mit dem Start eines neuen EU-Projekts «ICOS Cities – Pilot Applications in Urban Landscapes» (ICOS Städte – Pilotanwendungen in urbanen Gebieten). Zwei Schweizer Städte, Zürich und Basel, sind Teil des ICOS Cities Projekts, bei dem ICOS Schweiz Mitglieder der Empa und der Universität Basel beteiligt sind.

«Mit ICOS Cities möchten wir eine Reihe von Beobachtungsverfahren ausprobieren, indem wir städtische Pilot-Beobachtungsstationen entwickeln und aufbauen. Wir möchten verschiedene Werkzeuge und Dienste testen und vorstellen, mit denen diese Beobachtungen verarbeitet und analysiert werden können, und dabei die Anforderungen von Städten berücksichtigen und die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen unterstützen», sagt Werner Kutsch, Generaldirektor von ICOS und Projektkoordinator.
Der Artikel befasst sich ausserdem mit dem europäischen Budget für die Kohlenstoff- und Treibhausgas-Emissionen, das bisher nur mit einem beträchtlichen einmaligen Aufwand zusammengetragen wurde. Bald könnte dies jährlich über eine grosse Fläche mit weniger Unsicherheiten erstellt werden. Die politischen Bemühungen, eine Entscheidung über die am besten umzusetzenden Klimaschutzmassnahmen zu treffen, würden davon ebenfalls klar profitieren.

Zusammenfassend gibt es mehrere dringend benötigte Entwicklungen im Bereich der Kohlenstoffwissenschaft: Wie können Effekte des Klimawandels auf terrestrische und ozeanische Senken nachgewiesen werden? Wie kann die Verifizierung nationaler und lokaler Treibhausgasbestandsaufnahmen am besten unterstützt werden? Und wie kann die Effizienz von Eindämmungsmassnahmen am besten validiert werden?

Der ICOS-Artikel wurde im externe SeiteBulletin of American Meteorological Society (BAMS) veröffentlicht.  

ICOS Switzerland

ICOS Schweiz besteht aus den Institutionen ETH Zürich (Leitung), den Eidgenössischen Forschungsanstalten Empa und WSL, den Universitäten Bern und Basel sowie MeteoSchweiz und wird seit 2013 vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF), internen Mitteln der Partnerinstitutionen und dem Staatsekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) finanziert (Phase 1: 2013–2017; Phase 2: 2017–2021, Phase 3: 2021-2025).

externe Seitewww.icos-switzerland.ch

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