Veränderungen positiv begleiten

Im neuen CAS-Lehrgang «Climate Innovation» geht es um Innovation auf allen Ebenen. Nicolas Gruber, David Bresch und Stefano Brusoni erklären, wie Veränderung in Unternehmen gefördert werden kann und warum es dieses Angebot der ETH Zürich so dringend braucht.

von Sophie Graf
Nicolas Gruber
«Wir bieten ein Paket von Lösungen, wie wir Innovationen auf systemische Weise angehen können.» Nicolas Gruber, Professor für Umweltphysik, ETH Zürich. (Bild: Giulia Marthaler)

«Climate Innovation» klingt zunächst recht technisch. Welche Inhalte werden in eurem neuen CAS-Programm vermittelt?

Nicolas Gruber: Wir vermitteln zunächst vor allem Systemwissen: Wie funktioniert ein System, wie kann ich es verändern? Wie bewege ich mich innerhalb meines Unternehmens in den richtigen Netzwerken? Und was braucht es, um ein Unternehmen zu bewegen? Innovative Veränderungen können nicht nur «top down» geschehen, umgekehrt kann es aber auch nicht nur «bottom up» funktionieren. Wir brauchen also ein Paket von Lösungen, wie wir Innovationen auf systemische Weise angehen können.

Stefano Brusoni: Zum Klimawandel gibt es bereits viel Forschung und technisches Wissen. Die Herausforderung besteht darin, die Wissenschaft, die wir zu diesem Thema betreiben, schnell und effektiv in die Industrie zu bringen. Wir müssen dieses Wissen mit den Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern teilen. Um den Klimawandel aufzuhalten, müssen die Weichen jetzt gestellt werden und nicht erst in 20 Jahren.

Stefano Brusoni, ETH Zürich
«Um den Klimawandel aufzuhalten, müssen die Weichen jetzt gestellt werden und nicht erst in 20 Jahren.» Stefano Brusoni, Professor für Technologie und Innovationsmanagement, Vizedirektor für Weiterbildung, ETH Zürich. (Bild: Giulia Marthaler)

Um den Klimawandel zu stoppen, sind grosse technologische Erfindungen grösstenteils schon gemacht. Um welche Art von «Climate Innovation» geht es euch also konkret?

Nicolas Gruber: Nehmen wir zum Beispiel das Energiesystem. Wir wissen, wo wir hinwollen und was es dafür braucht. Was fehlt, ist die Verbindung. Das braucht sehr viele, auch kleinere Anpassungen auf verschiedenen Stufen, vom Energieversorger und der Stadtplanerin bis zum Elektroinstallateur, der einzelne Systeme dann tatsächlich in den Gebäuden montiert.

David Bresch: In den Transformationsprozessen, die wir benötigen, um in ein klimaresilientes System zu kommen, braucht es in erster Linie soziale Innovationen. Wie Nicolas schon gesagt hat, finden diese nicht zwingend «top down» statt. Vielleicht müssen top down Räume dafür geschaffen werden. Aber Hand aufs Herz, die wirklich innovativen Menschen schaffen sich diese Räume auch selbst. Die brauchen kein «Placet» von oben, sie tun es einfach! Und sie nehmen in Kauf, dass sie vielleicht die Firma wechseln müssen, wenn sich ihr Unternehmen nicht bewegt.

Welche Ziele verbindet ihr mit dem neuen CAS?

Nicolas Gruber: Bezüglich Klimawandel stehen wir vor unglaublichen Herausforderungen. Die Probleme sind oft sehr komplex und vielschichtig. Das kann auch entmutigen. Mit unserem CAS wollen wir den Leuten das Gefühl geben: «Doch, ich kann etwas bewirken!» Hoffnung zu verbreiten und die Leute wieder in ihr eigenes Aktionsfeld zu bringen, ist fast gleich wichtig wie das Wissen selbst.

Stefano Brusoni: Wir wollen unseren Teilnehmenden dabei helfen, ihre Sprache und die Instrumente, die sie verwenden, auf neue Lösungen auszurichten. Denn sonst bleiben sie in den Reibungen zwischen den Ebenen, zwischen den Einheiten stecken. Um tatsächlich etwas in unserem Umfeld verändern zu können, müssen wir auch in Unternehmen Grenzen überwinden.

Für wen eignet sich eure Weiterbildung?

Nicolas Gruber: Konkret sprechen wir Personen an, die ein naturwissenschaftlicher, Ingenieurs, Architektur- oder Wirtschaftsstudium haben und zwischen drei und sieben Jahren im Berufsleben stehen. Typischerweise sind das Gruppenleiterinnen, Personen in mittlere Managementpositionen, Jungunternehmerinnen oder einfach Menschen, die sich innerhalb der Firma anders positionieren wollen. Sie haben beispielsweise Ingenieurwissenschaften studiert und merken nach einigen Jahren Berufserfahrung, dass ein ganzheitlicher Ansatz erforderlich ist, um schwierige Probleme wie den Klimawandel zu bewältigen. Wir suchen aber auch einfach Personen mit intrinsischer Motivation.  

David Bresch: Genau, wir suchen vor allem Leute, die das Bedürfnis haben, sich mit dem Problem des Klimawandels in ihrem beruflichen Umfeld auseinanderzusetzen. Einige werden vielleicht nicht so sehr mit einem konkreten Beispiel oder Problem in unsern Kurs kommen, sondern eher mit dem Wunsch, an solchen Veränderungsprozessen teilzunehmen. Wir sind sicher, dass es diese Leute gibt. Und sie werden unseren Kurs mit besseren Werkzeugen verlassen, wie sie solche Prozesse in ihrem Umfeld anstossen können.

David Bresch, ETH Zürich
«Auch Leute mit einer enormen Berufserfahrung besitzen nicht unbedingt die Kompetenzen, mit den Herausforderungen des Klimawandels umzugehen. Da gibt es ein riesiges Potenzial.» David Bresch, Professor für Wetter- und Klimarisiken, ETH Zürich. (Bild: Giulia Marthaler)

Und woher könnten diese Leute kommen?

David Bresch: Die meisten Unternehmen müssen sich der Herausforderung, nachhaltig zu wirtschaften, stellen. Viele Leute aus der Praxis haben bereits enorme Erfahrung in ihrem Beruf, besitzen aber noch nicht unbedingt die Kompetenzen, mit den Herausforderungen und Unsicherheiten des Klimawandels umzugehen. Da gibt es ein riesiges Potenzial, denn Veränderungsprozesse in Richtung Netto-Null sind überall nötig und möglich.

Ein wichtiges Element des Lehrgangs sind Praxisbeispiele. Was können die Teilnehmenden konkret erwarten?

Nicolas Gruber: Zunächst werden wir eine gemeinsame Basis schaffen und uns zunächst auf zwei Themenkomplexe fokussieren: Netto-Null und das Ernährungssystem. Was bedeutet es beispielsweise für ein Unternehmen oder eine Stadt, sich in Richtung Netto-Null zu bewegen? Das Gleiche tun wir dann im Kontext der Ernährungssysteme. In einer zweiten Phase öffnen wir uns für die Fallbeispiele der Teilnehmenden. Dies muss ein bedarfsorientierter Prozess sein. Wir werden also die Fallstudien gemeinsam mit den Teilnehmenden gestalten. So stellen wir sicher, dass wir ihren Bedürfnissen wirklich gerecht werden.

Ihr erwartet also viel Interaktion in eurem Kurs. Welches sind die zentralen Herausforderungen?

David Bresch: Als Dozierende in diesem Kurs müssen wir ausserordentlich flexibel sein. Und wirklich offen für Fragen. Wie können ja keine Patentrezepte unterrichten. Wir müssen also in der Lage sein, 50 Folien über Bord zu werfen, nur um eine Frage eines Teilnehmers an Ort und Stelle zu beantworten. Das gemeinsame Lernen in der Gruppe steht im Zentrum. Wahrscheinlich werden wir genauso viel lernen wie die Teilnehmenden in diesem Kurs.

Was macht euch sicher, dass der Kurs ein Erfolg wird?

David Bresch: Wir vermitteln so viel Hands-on-Wissen wie möglich, untermauern es aber mit solider Wissenschaft. Am Ende hat dies wirklich etwas mit der praktischen Arbeitsrealität der Teilnehmenden und den nächsten Schritten in ihrer Karriere zu tun.

Stefano Brusoni: Der Raum für die Lösungen von sogenannten «wicked problems» wie dem Klimawandel kommt aus der Wissenschaft. Wir arbeiten mit integrierten Lernstrategien, die zum Teil von den Umweltnaturwissenschaften und zum Teil aber auch von den Sozial- und Managementwissenschaften kommen. Aber wir brauchen auch die Kompetenzen und Fähigkeiten der Industrie, um wirklich voranzukommen. Wir brauchen den Realitätscheck, der aus der Wirtschaft, den Unternehmen, der Verwaltung, der Praxis kommt. Deshalb ist Weiterbildung so wichtig. Hier an der ETH Zürich können wir die Annahmen der Wissenschaft in der Praxis testen, gemeinsam mit Menschen aus der Praxis. Das macht uns einzigartig.

Stefano Brusoni, Nicols Gruber und David Bresch
Bereit für den neuen CAS «Climate Innovation»: Nicolas Gruber und David Bresch, Professoren am Departement für Umweltsystemwissenschaften (D-USYS) sowie Stefano Brusoni, Vizedirektor für Weiterbildung an der ETH School for Continuing Education. (Bild: Giulia Marthaler)

CAS ETH in Climate Innovation

Start: Frühlingssemester 2023, Dauer: 1 Semester

Ort: ETH Zürich, teilweise online

Bewerbung: 01.09. – 30.10. (Verlängerung bis 30.11.2022)

Kosten: CHF 9'500.−

Unterrichtssprache: Englisch

Details:  CAS ETH in Climate Innovation

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