Berufspraktikum in Guinea, der «Universität der Geduld»

Eigentlich wollte Ryan Jenkins für sein Berufspraktikum im Master Agrarwissenschaften nach Südamerika. Doch dann entschied er sich, seine Kommilitonin und Freundin Camille Sammali zu einem Projekt im westafrikanischen Guinea zu begleiten. Dort lernte er viel über Agrarökologie, aber noch mehr über die Kommunikation mit Menschen aus einer anderen Kultur.

 Ryan Jenkins, Camille Sammali
  Bild: Ryan Jenkins, Camille Sammali

Ryan, wie kam es dazu, dass du für dein Berufspraktikum in Guinea gelandet bist?
Ich war eigentlich auf der Suche nach einem Praktikum in Südamerika. Meine Freundin Camille, die ebenfalls Agrarwissenschaften studiert, wollte immer schon mal nach Afrika. Mich hat das ehrlich gesagt anfangs noch nicht so gereizt. Sie hatte aber dann ein Angebot für dieses Praktikum bei Antenna Foundation und ihr wurde gesagt, es wäre wahrscheinlich eine gute Idee, wenn sie nicht allein gehen würde. In Guinea spricht man neben den lokalen Sprachen Französisch und meine Kenntnisse waren begrenzt. Zum Glück ist Camille aber aus der Westschweiz und hat mir immer geholfen.

Was habt ihr denn in euren Projekten gemacht?
In meinem Projekt ging es um Agrarökologie für die Ernährungssicherheit in Guinea. Ziel ist, in allen Klimazonen eine agrarökologische Farm aufzubauen, als eine Art Prototyp für Ausbildungen. Ausserdem war die Antenna Foundation daran, eine Marke für biologische Produkte zu gründen und ein Netzwerk für Tagungen und Wissensaustausch aufzubauen. Bis anhin gibt es in Guinea noch keinen Markt für agrarökologische Produkte, dies soll sich allmählich ändern, vor allem im Hinblick auf die Gesundheit der Bevölkerung und die grosse Abhängigkeit von importiertem Saatgut.

Wie sah euer Tag aus?
Wir hatten jeden Morgen eine Besprechung mit dem Team und dann ging es meist auf die Musterfarm etwa eine Stunde ausserhalb der Stadt Labé. Wir halfen dann dem Projektleiter vor Ort, richteten zum Beispiel einen Kompost ein oder schauten nach den Pflanzen. Auf der Farm werden unterschiedliche agrarökologische Prinzipien angewandt ─ unter anderem intercropping, wo Karotten mit Zwiebeln zusammen angebaut werden.

Was hat dir vor Ort am meisten Schwierigkeiten bereitet?
Das Thema Neokolonialismus beschäftigte mich am Anfang sehr. Für Camille und mich war immer klar, wir sind Praktikanten, und nicht nur Wissenschaftler. Am Anfang war es schwierig, in den offenen Dialog mit den Menschen vor Ort zu gehen, erst einmal wegen der Sprache und wegen den lokalen Gepflogenheiten. Ich wollte auf keinen Fall allen auf den Füssen rumtrampeln. Ich war da, um etwas von ihnen zu lernen, und sie kannten den Boden und die Pflanzen besser.

Welche Skills aus dem Studium hast du während deines Praktikums am meisten gebraucht?
Vor allem Probleme zu analysieren und lösungsorientiertes Denken. Es gab aber auch viele Sachen, auf die ich vom Studium her nicht vorbereitet war. Guinea hat keine technologische Landwirtschaft, die Leute arbeiten vor allem mit den Händen. Darauf war ich nicht wirklich vorbereitet, und mein ganzes technisches Wissen nütze mir nicht viel.

Was hast du aus deiner Zeit in Guinea mitgenommen?
Ich habe eine Schulung für Produktvermarktung mitgestaltet, wo viele Teilnehmende gemerkt haben, dass es ein Vorteil ist, wenn sie ihre Produkte richtig anpreisen. Da konnte ich zeigen, dass sie auf dem Markt ihre Bio-Tomate nicht einfach neben die normale Tomate legen, sondern sagen, wie stolz sie auf ihre speziellen Tomaten sind. Ganz allgemein denke ich, dass Agrarökologie in Guinea eine Zukunft hat.

Was würdest du anderen Studierenden mitgeben?
Es ist wichtig, zuerst einmal zuzuhören, aber später seine Meinung auch nicht zu verschweigen. Es muss einen offenen Austausch geben. Man sollte aber nicht überheblich wirken. Es gab auch Momente, wo ich wusste, dass etwas nicht stimmen konnte und dies sorgfältig anzusprechen war wichtig für mich. Ich würde dieses Praktikum wieder machen, aber würde Probleme innerhalb des Projektes schon früher ansprechen. Ganz wichtig ist auch nicht zu verzweifeln, wenn Dinge nicht beim ersten Mal funktionieren. Guinea wird nicht umsonst die «Universität der Geduld» genannt.   

Weiterführende Informationen

  • Das Berufspraktikum ist ein obligatorischer Teil des Master-Studiengangs Agrarwissenschaften und dauert circa 16 Wochen. Während dieser Zeit bearbeiten die Studierenden ein Projekt oder eine definierte Aufgabenstellung im Bereich der Agrarwissenschaften.
  • Camille Sammali berichtet in der Zeitung externe Seite le-o.ch von ihrem Aufenthalt mit Ryan in Guinea
  • Die externe Seite Antenna Foundation ist eine Schweizer Stiftung, die mit einem internationalen Netzwerk von Wissenschaftler:innen an Forschungsprojekten in den Bereichen Ernährung, Wasser und Hygiene, Agrarökologie, traditionelle Medizin und Energie arbeitet.  
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