Sortengarten 3.0: Getreidesorten neu entdeckt

Während mehr als 15 Jahren befand sich der Sortengarten auf dem AgroVet Strickhof im Dornröschenschlaf. Nun erweckten ihn 4 Studierende im Rahmen der «Praxisprojekte Agri-Food» wieder zum Leben. Von Februar bis Ende Juni 2024 säten und jäteten Mirjam Chassot, Sofie Egli, Rahel Lenz und Fabio Robertini auf einer rund 80 Quadratmeter grossen Fläche in Lindau, Eschikon. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Als eine von 42 Sorten wächst auch Einkorn (Triticum monococcum) im Sortengarten in Lindau, Eschikon.
Als eine von 42 Sorten wächst auch Einkorn (Triticum monococcum) im Sortengarten in Lindau, Eschikon. Bild: Melinda Thulin

Schlank recken sich die Halme des Ziegengras – Aegilops tauschii – aus dem Stütznetz. Etwa 25 bis 30 cm hoch werden die Triebe. Als Wildpflanze wird diese Sorte nicht für eine landwirtschaftliche Nutzung angebaut. Warum sollten wir sie denn kennen? «Ziegengras spielt eine wichtige Rolle in der Züchtung», erklärt Mirjam Chassot, Master-Studierende der Agrarwissenschaften an der ETH Zürich. «Es spendierte nämlich dem Weichweizen die Backfähigkeit». Im Mittelmeerraum wuchs das Ziegengras schon vor 500’000 Jahren. Durch eine Hybridisierung zwischen Aegilops tauschii und Emmer wurde aus dem tetraploiden Emmer der hexaploide Weichweizen.

Ohne Ziegengras kein Brot

Ziegengras gehört also zu den Vorläufern unseres heutigen Weichweizens. Im neu eingeweihten Sortengarten in Lindau, Eschikon hat er deshalb einen prominenten Platz bekommen. Alte Sorten sehen zu können, helfe ganz konkret, den Stammbaum von heutigem Weizen und somit die Geschichte unserer Kultur besser zu verstehen, sind die Studierenden überzeugt. Für ihren Sortengarten setzten sie den Fokus daher für dieses Jahr auf die Kategorien «Getreide» und «Getreidevorfahren».

Sortengarten 3.0

Bereits vor rund zwanzig Jahren hatte die ETH Zürich einen Sortengarten auf dem Forschungsgelände Lindau, Eschikon betrieben. Im Zuge der Erweiterung der Gewächshäuser 2007 wurde er jedoch abgebaut. Danach gab es den Sortengarten nur virtuell. Mit ihrem Projekt liessen die 4 Studierenden das Projekt wieder Realität werden. Aktuell sind insgesamt 42 Sorten, unterteilt in 6 Kategorien, vor Ort in Lindau zu sehen: Getreide, Getreidevorfahren, Pseudogetreide, Ölsaaten, Leguminosen sowie Wurzel- und Knollenfrüchte.  

Handarbeit gefragt

Für die Studierenden begann das Projekt im Februar diesen Jahres. Gemeinsam mit Simon Corrado und Andreas Hund, beides Mitarbeiter in der Professur für Kulturpflanzenwissenschaften an der ETH Zürich, legten sie die Parzellen an und säten zunächst die Wintersorten an. «Das Säen mit der Sämaschine war ein tolles Erlebnis», erzählt Mirjam Chassot. «Neben den konzeptionellen Arbeiten und dem Erstellen der Steckbriefe für jede Sorte war tatsächlich auch viel Handarbeit gefragt».

 

 

Blick in die Zukunft

Mit dem Säen und Jäten war die Arbeit jedoch nicht getan. Die Studierenden entwickelten auch ein didaktisches Kozept, wie der Sortengarten künftig in die Vorlesungen der Studiengänge Agrar- Umwelt- und Lebensmittelwissenschaften oder am Strickhof in die verschiedenen Berufslehren eingebaut werden könnte. Und für die Zukunft des Gartens ist die Stossrichtung klar: Die Studierenden empfehlen, einen grösseren Garten an einem noch attraktiveren Standort auf dem Gelände anzulegen. Ausserdem bedarf die bestehende Webseite – technisch und gestalterisch in die Jahre gekommen – einer Überarbeitung.

Ein Garten für alle

«Wir wären alle froh gewesen, wenn wir während dem Studium die Möglichkeit gehabt hätten, vor Ort die verschiedenen Pflanzen zu sehen,» begründet Mirjam Chassot ihre Motivation. Genau diese Möglichkeit bietet nun der frisch bepflanzte Sortengarten. Aber nicht nur die Studierenden können dort insgesamt 42 Sorten auf dem Strickhof live erleben, sondern auch die Lernden auf dem Ausbildungs- und Versuchsbetrieb Strickhof, sowie Spaziergänger und Besucherinnen. Auf Anregung der Studienrenden verweist der öffentliche «Farmtrail» neu auch auf den Sortengarten. Schliesslich liegt er nur zwei Minuten Fussweg von der Bushaltestelle Eschikon in Lindau entfernt.    

 

Weitere Informationen

  • Unter www.sortengarten.ethz.ch findet sich eine digitale Kopie des Sortengartens der ETH- Forschungsstation für Pflanzenwissenschaften in Lindau, Eschikon.
  • Parallel gibt es  weiterhin den «Virtuellen Sortengarten», eine digitale Form der ursprünglich  viel grösseren Getreidesammlung der ETH Zürich.
  • In der Lehrveranstaltung «Praxisprojekte Agro-Food» (751-1000-00) bearbeiten die Studierenden der Agrar- und Lebensmittelwissenschaften in Projektteams reale Fragestellungen aus dem Agro-Food Bereich. Sie entwickeln wissenschaftlich fundierte, praxistaugliche Lösungsvorschläge. Weitere Informationen gibt es dazu im Vorlesungsverzeichnis der ETH Zürich.

 

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