Alte Bilder, neu entdeckt

Schon einmal sorgte der Dekorationsmaler und Fotograf Josef Hanel (1865–1940) für eine Überraschung, als im ehemaligen Botanischen Museum der Universität Zürich handkolorierte Glasdiapositive auftauchten. Seither wurden weitere Bestände entdeckt, unter anderem auch an der ETH Zürich. Die Biologin Christiane Jacquat hat sie in ihrem Buch «Fundamentals» veröffentlicht. Was fasziniert sie an diesen Bildern?

Glasdias aus dem Fundus der Graslandwissenschaften, ETH Zürich, Autorin Christiane Jacquat mit ihrem Buch «Fundamentals».
Glasdias aus dem Fundus der Gruppe Graslandwissenschaften, ETH Zürich, Autorin Christiane Jacquat mit ihrem Buch «Fundamentals».   ETH Zürich/Sophie Graf

Über die Glasdiapositive von Josef Hanel haben Sie vor einigen Jahren bereits ein Buch veröffentlicht. Warum nun ein zweites Buch zu diesem Thema?
Nach dem Erscheinen des ersten Buches vor fünf Jahren sind die letzten Verwandten von Josef Hanel aufgetaucht. Über das «Rätsel I.H.» wurden mehrere Artikel veröffentlicht, darunter in der NZZ am Sonntag. Ein Freund des Enkels des Bruders von Josef Hanel – also ein Freund seines Grossneffen – las diesen Artikel und machte die Verbindung. Josef Hanel war 1940 an Tuberkulose gestorben, vor dem Zweiten Weltkrieg war er mit seiner Ehefrau nach Polen umgezogen.  

Wer war Josef Hanel?
Josef Hanel wurde 1865 in Hennersdorf im damaligen Sudetenland geboren, das zum Kaisertum Österreich und später zur Tschechoslowakei gehörte. Er war kein Wissenschaftler, sondern Dekorationsmaler und Fotograf. Von Pilzen und später auch von Pflanzen stellte er ungewöhnlich scharfe und naturgetreue Fotos (Glasdiapositive) her, die er von Hand kolorierte. Solche Glasdiapositive wurden damals in Wissenschaft und Lehre viel genutzt. Zu dieser Zeit waren die handkolorierten Glasplatten für die Projektion auf Grossbildleinwände besser geeignet als die ersten Farbfilme, weil sie gestochen scharf waren.

Und was hat die ETH Zürich mit Hanel zu tun?
Auch an der ETH Zürich wurden die Dias für die Lehre genutzt. Sabina Keller, Mitarbeiterin und Dozentin an der Professur für Graslandwissenschaften, war mit der Digitalisierung einer Lehrsammlung beschäftigt, als sie in einem Schrank drei Kisten mit insgesamt 130 Glasbildern entdeckte*. Hanel schien von seiner Arbeit besessen. Insgesamt sind inzwischen mehr als 1’200 Motive in unterschiedlichen Sammlungen katalogisiert. Im Buch «Fundamentals» stammt ein guter Drittel − 71 von 222 abgebildeten Bildern − aus dieser zufällig an der ETH Zürich gefundenen Sammlung.

 

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Josef Hanel (1865 - 1940). Film der Universität Zürich, März 2019

Was fasziniert Sie an Hanels Dias?
Hanels Werke wirken auf mich unglaublich positiv und fröhlich. Die Pflanzen auf seinen Bildern sehen frisch und dreidimensional aus, obwohl er – am Anfang zumindest mit grosser Sicherheit – nur mit Sonnenlicht fotografierte. Wissenschaftlich sind sie ausserdem sehr genau. Es lassen sich sogar Unterarten bestimmen. Beim Betrachten wird klar, dass er seine Arbeit sehr gern und genau gemacht hat.

Warum haben Sie Ihr Buch «Fundamentals» genannt?
Die Pflanzenwelt spielt eine fundamentale Rolle. Ohne Pflanzen gäbe es keine Atemluft, keine Nahrung, keine Menschen. Früher sprach man von Nachhaltigkeit oder von Ökologie. Heute heisst das Schlüsselwort «Biodiversität». Es war mir wichtig, die Hanelsche Sammlung aus einer heutigen Perspektive zu betrachten. Deshalb haben auch Forschende von heute, darunter Nina Buchmann, Professorin für Graslandwissenschaften an der ETH Zürich, Beiträge zu bestimmten Themen beigesteuert. Das Buch ist ausserdem ein Versuch, eine wissenschaftliche Arbeit für die Öffentlichkeit aufzubereiten. Ich suchte also die «modernen» Aspekte diese «alten» Materials.

Aus «Fundamentals. Die Pflanzenwelt des I. H. », Glasdias aus der Gruppe Graslandwissenschaften, ETH Zürich

Über Christiane Jacquat

Die Biologin Christiane Jacquat spezialisierte sich auf Pflanzensoziologie, Archäobotanik und Ethnobotanik. Bis zu ihrer Pensionierung 2019 arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Pflanzen- und Mikrobiologie der Universität Zürich und war zudem Kuratorin des daran angeschlossenen ehemaligen Botanischen Museums. Später wurde die Botanische Sammlung in das Naturhistorische Museum der Universität Zürich integriert. Christiane Jacquat forschte unter anderem über die ersten Pflanzen, die in den Pfahlbausiedlungen bei Zürich gefunden wurden. Die Beziehung zwischen Menschen und Umwelt hat sie schon immer interessiert.

Das Buch «Fundamentals –  die Pflanzenwelt des I. H., Aktualität einer Sammlung handkolorierter Glasdiapositive» ist im externe Seite AT-Verlag erschienen und kostet 59 Franken.

* Drei kleine Schatztruhen im LFW: Artikel über den Hanel-Fund am Institut für Agrarwissenschaften an der ETH Zürich

externe Seite Josef Hanel, 1865 – 1940: Film der Universität Zürich über Josef Hanel und die Herstellung seiner Glasdiapositive

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