Genetisch wertvoll: Edelkastanien in der Schweiz
D-USYS
Die Schweizer Kastanienwälder beherbergen eine in Europa einzigartige genetische Vielfalt. Viele Kastanienwälder bestehen aus veredelten Bäumen, die mit sehr alten Sorten kombiniert wurden. Dies zeigt die Studie eines Konsortiums verschiedener schweizerischer und europäischer Forschungsgruppen in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich.

In der Schweiz bedecken Rein- und Mischkastanienwälder eine Fläche von rund 24'000 Hektaren – das entspricht der Fläche des Kantons Zug. Aus historischen und klimatischen Gründen liegen die meisten der noch existierenden Kastanienhaine südlich der Alpen. Aber auch nördlich der Alpen gibt es noch grössere Relikte der einstigen Kastanienkultur sowie über das ganze Schweizer Mittelland verteilte kleinere Vorkommen. Deren geringe Bekanntheit hängt damit zusammen, dass der Kastanienanbau und das damit verbundene Wissen schon mit der Klimaabkühlung während der so genannten Kleinen Eiszeit im 17./18 Jahrhundert stark zurück gingen.
Ein in Vergessenheit geratenes Kulturgut
In den letzten dreissig Jahren wurden viele Anstrengungen unternommen, um das Erbe der verbliebenen Kastaniensorten zu erhalten und wiederzubeleben. In der Schweiz wurden im Rahmen des “Nationalen Aktionsplans zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft” (NAP-RPGREL) des Bundesamtes für Landwirtschaft mehr als 10’000 alte Kastanienbäume mit offensichtlichen Veredelungsspuren und anderen Indizien für Kultursorten im ganzen Land identifiziert.
Alten Sorten auf der Spur
In der letzten Phase dieses Projekts hat ein Forschungskonsortium 962 Kastanienbäume genetisch charakterisiert. Bäume, die die grösste genetische Vielfalt repräsentieren, sollen mit einem Erhaltungsprogramm geschützt werden. Die Analyse förderte nicht nur eine grosse genetische Vielfalt bei den in den Kastanienhainen der Schweiz noch vorhandenen alten Sorten zu Tage, sondern auch einzigartige genetische Merkmale, die im übrigen Europa nicht vorkommen. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift "Biodiversity and Conservation" veröffentlicht.
«In der Schweiz wurde die Kastanienkultur weitgehend aufgegeben. Sie blieb daher von der Industrialisierung der Landwirtschaft weitgehend unbetroffen. Deshalb finden sich hier noch genetische Informationen aus einer mittelalterlichen Phase der Kastanienkultur", erklärt Andreas Rudow vom Institut für terrestrische Ökosysteme an der ETH Zürich.
Genetische Vielfalt sichern
Auf der Grundlage der gesammelten Daten ist es nun möglich, die kostbare Erbinformation in speziellen Erhaltungsplantagen zu sichern und für die Weiterverwendung alter Sorten ebenso wie für Züchtungsprojekte zugänglich zu halten. Für die Deutschschweiz gibt es bereits eine erste Erhaltungssammlung in Küssnacht am Rigi; die notwendige Rückversicherung in Form einer Sammlung von Duplikaten ist in Zürich geplant.
Am Projekt beteiligt waren die Interessengemeinschaft Castanicoltori della Svizzera Italiana, die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL und EcoControl für die Alpensüdseite; die Haute Ecole Spécialisé de Suisse Occidentale in Genf und In Situ Vivo für die Westschweiz sowie die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich und das Ingenieurbüro MOGLI solutions für die Deutschschweiz. Die Gruppe arbeitete mit der Universität von Santiago de Compostela in Spanien und der INRA Bordeaux in Frankreich zusammen. Die genetische Studie wurde finanziert durch das Bundesamt für Landwirtschaft.