Ein Fenster in die Praxis – für die Kompetenzen von morgen

Was müssen Studienabgänger:innen heute ins Berufsleben mitbringen? Rund 80 Alumni und Alumnae der Studiengänge Umweltnatur- und Agrarwissenschaften sowie Arbeitgebende unserer Absolvent:innen, Partner:innen aus der Praxis und Gäste kamen am vergangenen Freitag an die ETH Zürich, um sich über die Studiengangsinitiative² zu informieren. Begeistert nutzten sie die Gelegenheit, ihre Ideen, Bedürfnisse und Wünsche in Bezug auf die Kompetenzen zukünftiger Absolvent:innen einzubringen.

von Sophie Graf, Kommunikation D-USYS
Anouk N'Guyen bei der Eröffnung des Workshops «Kompetenzen von morgen»
Lehrspezialistin Anouk N'Guyen bei der Eröffnung des Workshops «Kompetenzen für morgen» der Studiengangsinitiative2 des Departements Umweltsystemwissenschaften (D-USYS). Bild: Melinda Thulin, ETH Zürich

«Welches waren Ihre grössten Herausforderungen in den letzten 10 Jahren in Ihrem jetzigen Beruf?», fragte Lehrspezialistin Anouk N’Guyen die Teilnehmenden gleich am Anfang der Veranstaltung. «Künstliche Intelligenz» war da aus dem Publikum zu hören, oder «neue Regulatorien aus den USA». «Bei uns ist es klar der Fachkräftemangel», so die spontane Antwort von Lukas Gasser von Econetta, einem Umweltberatungsunternehmen in Schlieren. Gasser selbst hat vor rund 20 Jahren sein Studium in Umweltnaturwissenschaften an der ETH Zürich abgeschlossen. Für mehr als zwei Drittel der ausgeschriebenen Stellen fand sich in den letzten Jahren kein Personal aus der Schweiz. «Es braucht mehr qualifizierte Fachkräfte im Umweltbereich und die Studiengangsinitiative wird einen Beitrag dafür leisten!», ist er überzeugt.

Workshop «Kompetenzen von morgen» vom 21. März 2025 im Rahmen der D-USYS Studiengangsinitiative². Bilder: Melinda Thulin, ETH Zürich

Arbeiten im Jahr 2040

Berufe werden verschwinden, Kompetenzen hingegen braucht es weiterhin. In seiner Präsentation nahm Lehrspezialist Manuel Sudau die Gäste mit ins Jahr 2040. Welche Kompetenzen im Bereich Umwelt und Landwirtschaft werden dann gefragt sein? «Studierende bereiten sich nicht nur auf heute existierende Arbeitsplätze vor, sondern auch auf solche, die erst noch entstehen werden», macht Manuel Sudau klar. «Die Herausforderungen, die sich heute schon abzeichnen, werden in rund 10 Jahren relevant sein.» So ist – als Beispiel – das Thema KI innerhalb kürzester Zeit zur Top-Trainingspriorität in der Personalentwicklung geworden.​

«Studierende bereiten sich nicht nur auf heute existierende Arbeitsplätze vor, sondern auch auf solche, die erst noch entstehen werden.»
Manuel Sudau, Lehrspezialist D-USYS

Kompetenzen im Fokus

In drei Runden à 20 Minuten diskutierten die rund 80 Teilnehmenden über folgende Fragen: Welche Kompetenzen sind erforderlich, um den erwarten Wandel zu bewältigen? Was sind die Erwartungen an unsere Absolvierenden? Und welches sind die wichtigsten Hinweise an die Studiengangsinitiative² pro Studiengang, pro Vertiefung? An den verschiedenen Tischen wurde lebhaft diskutiert. Einige Schlagworte waren dabei immer wieder zu hören: Interdisziplinarität, Systemdenken, IT-Kenntnisse, Praxisbezug, Sozialkompetenz.

MINT-Kenntnisse als Schlüsselqualifikation

«Damit Absolvent:innen schnell einsetzbar sind, brauchen sie vor allem solide Kenntnisse im MINT-Bereich, also in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik», waren sich die meisten Teilnehmenden einig. «Um im Beruf weiterzukommen, braucht es aber oft mehr als reines Fachwissen», präzisierte Lukas Gasser von Econetta in einer der Diskussionsrunden. «Erfolgreiche Berufsanfänger:innen können sich schnell an neue Situationen anpassen. Sie bringen persönliches Engagement mit und sind durchaus fähig, auch mal ‘out of the Box’ zu denken.»

Praxisbezug weiterhin gefragt

Einigkeit herrschte in den verschiedenen Diskussionsrunden auch darüber, dass der Praxisbezug im Studium eher noch mehr Raum einnehmen sollte. «Ich habe noch kein Projekt erlebt, das an den technischen Lösungen gescheitert ist», betonte zum Beispiel Selina Derksen, Teamleiterin beim Schweizer Beratungs- und Ingenieurunternehmen EBP. Die grössere Herausforderung sei oft, alle betroffenen und beteiligten Akteur:innen so ins Projekt einzubeziehen, dass sie die gemeinsame Lösung mittragen. Gerade deshalb seien Fallstudien im Studium so wichtig. «Sie schaffen einen wichtigen Praxisbezug und zeigen auf, dass die in der Theorie perfekten Lösungen nicht immer die sind, die sich auch umsetzen lassen.»

Wieviel Methodik darf es sein?

Was fehlt bei der Einstellung von Absolvent:innen am meisten? Bei dieser Frage tat sich ein grösseres Spektrum von Ansichten auf. «Ich vermisse bei den Absolvierenden methodische Kenntnisse für Stakeholder-Analysen», brachte beispielsweise Saskia Willemse von MeteoSchweiz ihr Bedürfnis zum Ausdruck. Muss diese Kompetenz also vermehrt an der ETH gelernt werden? «Es gibt auch noch so etwas wie Forschungsfreiheit an der ETH Zürich», relativierte umgehend Jean-Pierre Krause von der Zurich Insurance Group. Das Studium an der ETH Zürich sollte den Studierenden auch Freiräume bieten, ohne dass sie immer an den konkreten Nutzen denken müssten.

«Die Praktiker:innen sind die Arbeitgeber:innen der Zukunft. Was sie sagen, ist daher wichtig für uns.»
Anouk N'Guyen, Lehrspezialistin D-USYS

Qualifikationsprofile der Zukunft

Im Projekt Studiengangsinitiave² werden in den nächsten Monaten die zukünftigen Qualifikationsprofile für die beiden Studiengänge Umweltnatur- und Agrarwissenschaften entwickelt. «Die Praktiker:innen sind die Arbeitgeber:innen der Zukunft. Was sie sagen, ist daher wichtig für uns», erklärt Anouk N'Guyen.

Das Projektteam der Studiengangsinitiative² hat in den letzten zwei Jahren die Bedürfnisse, Ideen und Visionen von über 600 Personen abgeholt. Nun geht es darum, die fast 100 Personen in den verschiedenen Arbeitsgruppen dazu zu befähigen, die gesammelten Ideen umzusetzen.

Durch das ETH-Projekt PAKETH (Prüfungen und Akademischer Kalender) müssen ETH-weit 75 Studienprogramme bis ins Jahr 2027 revidiert werden. Die ersten Absolvierenden nach dem neuen System werden demzufolge 2032 abschliessen.

Über die Studiengangsinitiative²

Die Studiengangsinitiative² am D-USYS ist mit einem Kick-Off Event im September 2024 gestartet. Artikel vom 19.09.2024

Aktuell werden drei Arbeitsgruppen gebildet:

  • WP1 | Kompetenz-orientierte Curricula​
  • WP2 | Innovative Lehrmethoden
  • WP3 | Curriculums-Strukturen

Wenn Sie Interesse haben, aktiv an einzelnen Aufgaben mitzuwirken, sprechen Sie uns an via .

Über PAKETH

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