Die wohl sauberste Luft der Welt

D-USYS

Die unberührte Atmosphäre des Südlichen Ozeans ist fast der einzige Ort auf der Erde, an dem die Luft ähnlich wenig Feinstaub enthält wie vor der industriellen Revolution. Zurück in der Schweiz, haben Forschende des D-USYS und des Paul Scherrer Instituts (PSI) begonnen, die während der Expedition «Antarctic Circumpolar Expedition» (ACE) erhobenen Daten auszuwerten.

von Fiona Tummon
Wolkenformationen in der Nähe von Siple Island im Südpolarmeer. Foto: Julia Schmale, Paul Scherrer Institut
Wolkenformationen in der Nähe von Siple Island im Südpolarmeer. Foto: Julia Schmale, Paul Scherrer Institut

Wolken haben einen enormen Einfluss auf das Wetter und das Klima - denken Sie nur an den Unterschied zwischen einem sonnigen Tag und einem bewölkten. Aerosole, winzige feste oder flüssige Partikel in der Atmosphäre, spielen eine wichtige Rolle bei ihrer Entstehung, da sich Wolkentröpfchen auf Aerosolpartikeln bilden. Mit anderen Worten: Gäbe es keine Aerosole in der Luft, gäbe es auch keine Wolken. Zumindest nicht solche, wie wir sie kennen.  

Winzige Partikel, grosse Wirkung

Aerosole variieren in der Grösse enorm, sie sind viel kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares. Sie können direkt die Menge der Sonnenstrahlen beeinflussen, die die Erdoberfläche erreicht. Oder sie können die Helligkeit und die Lebensdauer der Wolken beeinflussen sowie die Menge der Niederschläge. Diese Effekte treten auf, weil sich die Tröpfchen und die meisten Eiskristalle auf Aerosolen bilden. Je mehr Aerosole vorhanden sind, desto mehr - und oft kleinere - Tröpfchen bilden sich.

Abbildung: Julia Schmale, Paul Scherrer Institut.
Abbildung: Julia Schmale, Paul Scherrer Institut

In einer sauberen Atmosphäre (links im Bild) gibt es nur wenige Aerosolpartikel und damit weniger und grössere Tröpfchen in Wolken. Dies bedeutet, dass mehr Regen auftreten kann, die Wolken weniger lang bestehen bleiben und weniger Strahlung reflektiert wird. Auf der anderen Seite, in einer «schmutzigen» Atmosphäre mit viel Aerosol (rechts), gibt es mehr Tröpfchen in der Wolke, die Lebenszeit der Wolke ist länger, weniger Regen kann fallen und mehr Strahlung wird reflektiert.

Eine unberührte Umgebung

Das Wissen darüber, wie das Klima sich in vorindustriellen Zeiten verhielt, hilft den Forschenden, zu verstehen, wie stark das Klima vom Menschen beeinflusst wurde. Aus diesem Grund ist unter anderem auch Fiona Tummon, Mitarbeiterin an der Professur für Atmosphärenchemie am Institut für Atmosphäre und Klima (IAC) im Rahmen des Projekts ACE-SPACE (Study of Preindustrial-like Aerosol Climate Effects) rund um den Kontinent Antarktis gereist. Sie war bei der Umrundung der Antarktis von Dezember 2016 bis März 2017 auf dem Forschungsschiff dabei.

Unter der Leitung von Julia Schmale vom Paul Scherrer Institut haben die Forschenden nun begonnen, den umfangreichen Datensatz der Expedition auszuwerten. Schon die ersten Ergebnisse zeigen, dass die Bedingungen in der Antarktis aussergewöhnlich waren: Die Atmosphäre wies eine geringere Aerosol-Konzentration auf als ein zertifizierter Reinraum. Unter solchen Bedingungen wird beispielsweise an High-Tech-Produkten oder Satelliteninstrumenten gearbeitet.  

Ein kleines Experiment soll dies verdeutlichen: Die Aerosol-Konzentration in der antarktischen Atmosphäre ist so niedrig, dass heisser Tee keinen Dampf produziert, obwohl die Aussentemperatur unter 0 Grad Celsius beträgt. Erst wenn ein Feuerzeug zusätzliche Partikel erzeugt, kann der Dampf kondensieren. Überzeugen Sie sich selbst!

Eine Reihe von Instrumenten, die in einem Laborcontainer an Bord des Forschungsschiffes «Akademik Treshnikov» untergebracht wurden, analysierten kontinuierlich verschiedene Aerosol- und Spurengaseigenschaften und lieferten Daten der unberührten Atmosphäre im südlichen Ozean, welche in dieser Form noch nicht erhoben wurden.

Einblick in die vorindustrielle Atmosphäre

Die Wechselwirkungen zwischen Aerosolen und Wolken gehören zu den am wenigsten verstandenen Aspekten des Klimasystems. Auch über die Eigenschaften der atmosphärischen Aerosole in vorindustriellen Zeiten wissen wir noch sehr wenig. Dies ist insofern ein Problem, als unsere heutigen Schätzungen des vom Menschen verursachten (anthropogenen) Einflusses auf das Klima genau auf solchen Referenzwerten basieren. Eine weitere Schwierigkeit ist, dass wir Aerosol-Wolken-Interaktionen in globalen Modellen mit heutigem Wissensstand nur ungenügend abbilden können.

Die in der Antarktis erhobenen Daten helfen zu verstehen, wie Aerosolpartikel in der vorindustriellen Atmosphäre entstanden sind, aus welchen Quellen sie sich speisen, woraus sie zusammengesetzt sind und ob diese Partikel auch Wolkentröpfchen oder Eiskristalle bilden können. Diese Beobachtungen ermöglichen es ausserdem, genauere Satellitendatenabfragen zu machen und die Darstellung von Aerosolprozessen in globalen Klimamodellen zu verbessern. In Zukunft werden die Forschenden dafür mit zahlreichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der insgesamt 22 im Rahmen der Expedition lancierten Projekte eng zusammenarbeiten.

Zur Autorin

Dr. Fiona Tummon, ist Dozentin und Mitarbeiterin an der Professur für Atmosphärenchemie am Institut für Atmosphäre und Klima (IAC).

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